Angepasste Mobilität: Tipps und Tricks zum Thema Führerschein

von Gabriele Wittmann

Was muss ich lernen, damit nach einem Querschnitt mein Führerschein weiterhin gültig bleibt? Kann ich als Mensch mit Behinderung auch in fortgeschrittenem Alter noch meinen Führerschein machen? Und wer berät mich für die erforderlichen Umbauten? Um solche Fragen zu klären, kommen Menschen in Beratungsstellen wie die am Hauptsitz der Firma Paravan im schwäbischen Aichelau.

»Dann dürfen Sie die Bremse bedienen und ich übergebe jetzt«, sagt Fahrlehrer Ralf Buhmann. Reinhard Zischg, seit 37 Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen, sitzt zum ersten Mal im Fahrschulfahrzeug. Bisher konnte der 52-Jährige immer noch mit einer auf dem Lenkrad montierten Gabel sowie mit einem mechanischen Gas-Brems-Schieber fahren. Doch seit dem Riss einer Sehne am Bizeps hat sich die Beweglichkeit seines rechten Armes erheblich verschlechtert. »Deshalb die neuen Umbauten«, sagt er. »Damit ich mich sicherer fühle.«

Um trotz Beeinträchtigung Auto fahren zu können, benötigt Zischg zukünftig ein Minilenkrad auf der linken Seite und einen Gas-Bremsschieber rechts – beides mit Dreizackaufsatz als Griff. »Jetzt fahren wir nach links. Rollen lassen, und dann Gas geben«, unterstützt der Fahrlehrer bei einer Probefahrt im schwäbischen Aichelau, dem Hauptsitz des Umrüsters Paravan.

»Der Fahrlehrer behält seinen Schüler im Blick»

Es sei ganz ungewohnt, meint Zischg: »Wenn ich Gas gebe, geht es richtig ab.« Ralf Buhmann erklärt ihm: »Durch die Fliehkraft geben Sie weiter Gas.« Und meint dann: »Das ist aber eine Einstellungsfrage, die man durch eine korrekte Abstützung des Arms durch die individuelle Anpassung der Bedienhebel in den Griff bekommt. « Der Fahrlehrer behält seinen Schüler im Blick. »Das Lenken klappt schon gut«, lobt er und rät: »In prekären Situationen am besten immer die Hand vom Gas und sich auf das Lenken konzentrieren.«

Für Zischg ist es ein ganz neues Gefühl, so Auto zu fahren. Im Alter von 15 Jahren verunglückte er schwer, erlitt eine Tetraplegie – eine Querschnittlähmung im Halswirbelsäulenbereich C5/C6, bei der alle vier Extremitäten beeinträchtigt waren. Seitdem ist er auf fremde Hilfe angewiesen, hat Assistenzkräfte, um den Alltag zu meistern. Trotz seiner Behinderung hat der Angestellte mit 18 Jahren einen Führerschein gemacht. Denn vor allem im ländlichen Raum sei es schwierig, immer ein Behindertentaxi zu bekommen, so seine Erfahrung.

Grundsätzlich gilt: Wer bereits vor seiner Behinderung einen Führerschein hatte, darf damit auch weiter einen Wagen führen. Voraussetzung ist allerdings eine positiv beschiedene verkehrsmedizinische Stellungnahme von einem dafür zugelassenen Arzt. Das kann beispielsweise ein Neurologe sein. Auskünfte darüber erhalten Interessierte von den Mobilitätsberatern der Auto-Umrüster oder von einer speziell auf Behindertenmobilität spezialisierten Fahrschule, wie die bei Paravan. Sie begleiten interessierte Kunden vom ersten Kontakt an durch den gesamten Prozess.

»Selbst fahren zu können ist für mich Freiheit«

Gute Mobilitätsberater geben auch Hinweise zur Antragstellung bei den Ämtern. Für Studierende und Auszubildende sind die Integrationsämter der Länder für den Antrag zur Finanzierung des Fahrzeugs zuständig. Für in Arbeit Stehende ist zwölf Jahre lang das Arbeitsamt zuständig, danach der Rentenversicherungsträger. Wer nicht mehr arbeitet, der fällt in punkto Auto- Mobilität durch das soziale Netz. Tipp: Rechtzeitig vor Erreichen des Rentenalters einen neuen Wagen oder neuen Gebrauchtwagen anschaffen, im Schnitt kann das alle acht bis neun Jahre geschehen, so die individuellen Voraussetzungen stimmen.

»Ratsam ist, für die Lebensdauer eines Fahrzeugs bei einem Umrüster zu bleiben«

Wichtig: Wer wie Reinhard Zischg durch Umbauten auch technische Veränderungen am Fahrzeug vornehmen lassen muss, der braucht gegebenenfalls noch ein technisches Gutachten. Ratsam ist, dieses Gutachten bei demselben Händler zu veranlassen, bei dem auch die Umbauten in Auftrag gegeben wurden. Denn manchmal stimmen die technischen Details sonst nicht überein.

Ratsam ist auch, für die Lebensdauer eines Fahrzeugs bei einem Umrüster zu bleiben. Verschlechtert sich der eigene gesundheitliche Zustand, so kann das Fahrzeug leicht entsprechend angepasst werden. Systeme wie das Space Drive von Paravan etwa sind anpassungsfähig: Die Transferkonsole kann ausgebaut werden, das Lenksystem angepasst oder eine Dockingstation eingebaut werden, damit der Fahrer mit dem Rollstuhl direkt vor das Lenkrad fahren kann. Wichtig: Wer Space-Drive nutzt, braucht einen entsprechenden Eintrag in den Führerschein.

Dank des Paravan-Space-Drive-Systems fahren heute deutlich mehr Menschen als vor 20 Jahren, sagt Carsten Seidler, seit 2006 Leiter der Paravan-Fahrschule in Heidelberg.

»Das System muss quasi wie ein Maßanzug passen«

Natürlich gebe es gesetzliche Grenzen. »Nicht jeder, der einen Joystick bedienen kann, darf auch fahren«, erläutert der Fahrlehrer. Der Grund liege immer im Krankheitsbild. Eine unkontrollierte Spastik in den Armen sei beispielsweise ein K. o.-Kriterium. »Bei Space Drive ist die individuelle Anpassung extrem wichtig«, erläutert Seidler. »Das System muss quasi wie ein Maßanzug passen.« Das werde noch deutlicher, wenn es um das eigene Fahrzeug gehe

»Das Hauptaugenmerk wird darauf gelegt, dass der Fahrer mit den Umbauten zurecht kommt«, erläutert Jörg Buck vom TÜV Süd in Tübingen, zuständig für Fahrerlaubnisprüfungen mit der Zusatzausbildung Behindertenbegutachtung. Bei der Vorbegutachtung wird die technische Lösung abgestimmt. Der Gutachter legt zudem fest, ob weitere Optionen wie zum Beispiel eine Rückfahrkamera oder verkehrssicherheitsrelevante Zusatzeinrichtungen benötigt werden. »Bei der Endbegutachtung muss der Fahrer das System dann beherrschen«, so der Prüfer.

In Aichelau lobt der Fahrlehrer seinen Schüler Reinhard Zischg. »Jetzt klappt es mit dem Spurhalten «, meint Ralf Buhmann anerkennend. Von Runde zu Runde spüre man, wie die Routine kommt. Am Anfang solle man kürzere Strecken in ruhigen Gebieten bevorzugen, »und immer wieder probieren«, rät der Fahrlehrer. Reinhard Zischg ist froh über seine Fortschritte. Denn Mobilität bedeutet für ihn Unabhängigkeit und Lebensqualität: »Wieder selbst fahren zu können ist für mich Freiheit«.

Fahrstunden bei Paravan: Tel. 07388 999 56 11 www.paravan.de/produktloesungen/ behindertenfahrschule Weitere Fahrschulen finden Sie unter: www.autoanpassung.de  

Kommentare

Maximilian Behrens

12. November 2021 um 13:20 Uhr

Mein Onkel möchte demnächst einen Führerschein machen. Gut zu wissen, dass man selbst im Rollstuhl einen Führerschein machen kann, wenn gewisse Umbauten im Auto vorgenommen worden sind. Wir werden uns nach einer passenden Fahrausbildung umschauen. https://drivestars.ch/de-CH/alg-fahrausbildung

Hannes Bartschneider

16. Mai 2021 um 11:20 Uhr

Ich mache selbst grad meinen Führerschein der B-Klasse im Alter. Eine Behinderung habe ich nicht, aber ich wusste auch nicht, dass solche Umbauten im KFZ eingebaut werden können, wie ein Minilenkgrad. Das finde ich aber sehr gut, so habe mehr Menschen die Möglichkeit auf Mobilität. Weitere Informationen habe ich hier gefunden: https://www.fs-yurdi.at/wels

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