Treffsicher zur Wahl: Wir stellen den Parteien Acht knifflige Fragen

von Behindertenpolitische Sprecher der Parteien

Am 26. September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Wer macht für uns gute Politik? Wir haben die behindertenpolitischen Sprecher der aktuell sechs größten Parteien gefragt, wie sie die Themen Inklusion und Barrierefreiheit anpacken würden. Dabei haben wir oft bewusst ganz konkrete Beispiele geschildert. Denn wir wollten wissen, wie belastbar die jeweiligen Ideen sind, wenn es um ganz alltägliche Situationen geht. Jede Partei erhielt die gleichen Chancen und die gleichen Längenvorgaben. So können Sie die Antworten nun selbst vergleichen …

MdB Wilfried Oellers
Behindertenbeauftragter
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

MdB Sören Pellmann
Fachpolitischer Sprecher der Fraktion
DIE LINKE im Bundestag

MdB Angelika Glöckner
Behindertenpolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion

MdB Corinna Rüffer
Sprecherin für Behindertenpolitik
der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

MdB Uwe Witt
Sprecher für Behindertenpolitik
der AFD-Fraktion

MdB Jens Beeck
Teilhabepolitischer Sprecher
der Fraktion der FDP

1. Antragsverfahren für Hilfsmittel wie Rollstühle sind häufig langwierig, wodurch benötigte Hilfen teils mit erheblichen Verzögerungen eintreffen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass dieser Prozess beschleunigt wird? Und wenn ja, wie?

CDU

Ich gebe Ihnen Recht. Die Bearbeitungszeit für die Genehmigung von Hilfsmitteln muss erheblich kürzer werden. Die Fristen müssen klarer definiert werden und dürfen auch nicht ohne triftigen Grund verlängert werden. Dafür möchte ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten einsetzen.

SPD

Die Länge der Anträge hat häufig mit zu großer Bürokratie tun. Das wollen wir reduzieren und sind aktiv dabei. Etwa mit dem Behinderten-Pauschbetragsgesetz. Wir haben Nachweispflichten verschlankt und die Grade der Behinderung mit dem Sozialrecht harmonisiert. Ich werde mich auch zukünftig dafür einsetzen, den Zugang zu Hilfs- und Fördermitteln so einfach und gerecht wie möglich zu machen.

AFD

Hier besteht dringender Handlungsbedarf zur Entschlackung dieser Prozesse des Antragsverfahrens, des Bewilligungsverfahrens und des endgültigen Abrechnungsverfahrens. Hilfsmittel werden im SGB V geregelt und im GKV-Hilfsmittelverzeichnis aufgelistet. Und hier besteht genau der Reformbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss steht hier in der Pflicht, eine patientenorientierte Antrags- und Abrechnungsstruktur zu schaffen.

LINKE

Ja. DIE LINKE will die Pflicht zur Genehmigung des Hilfsmittels durch die Krankenkassen abschaffen. Das verkürzt auch Bearbeitungszeiten. Grundlage dafür ist eine Neukonzeption des Hilfsmittelverzeichnisses, und zwar durch den G-BA unter wirksamer Patientenbeteiligung. Ziel ist die Erstellung einer Positivliste für eine Versorgung mit hochwertigen Hilfsmitteln, die von den Krankenkassen zügig und vollumfänglich finanziert werde

GRÜNE

Ja. Wir wollen dafür sorgen, dass die Reha-Träger die im SGB V und SGB IX festgelegten Fristen einhalten und Fristen für Widerspruchsverfahren festlegen. Die schon im SGB V geltende Regel, dass Anträge nach Ablauf der Bearbeitungsfrist automatisch genehmigt sind, wenn kein Bescheid erlassen wurde, werden wir auf alle Teilhabeleistungen übertragen. Die Möglichkeit zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen werden wir vereinfachen und verbessern.

FDP

Es bestehen bereits heute umfangreiche Ansprüche für Betroffene. Doch leider werden diese aufgrund der sehr restriktiven Praxis bei der Bewilligung zu häufig konterkariert. Die Sozialgerichte geben den antragstellenden Menschen in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Recht. Das muss sich endlich auf die Bewilligungspraxis auswirken. Der politische Druck auf die Umsetzung der vom Gesetzgeber formulierten Ansprüche muss außerdem höher werden.

2. Sollten Menschen mit Behinderungen bei entsprechender Qualifikation vorrangig in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden?

CDU

Wir müssen bei Unternehmen noch stärker Hemmschwellen abbauen. Und ihnen helfen, den Überblick zu behalten. Denn an Förderleistungen mangelt es nicht. Daher haben wir mit dem vor kurzem verabschiedeten Teilhabestärkungsgesetz auch eine Ansprech- und Lotsenstelle eingeführt, die Arbeitgeber beraten und für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sensibilisieren soll.

SPD

Wir wollen, dass Menschen mit und ohne Behinderung die gleichen Chancen haben. Dazu gehört es, dass Menschen, denen es möglich ist, in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Die Werkstätten sind dazu angehalten, Menschen mit Behinderungen weiter zu qualifizieren und sie in die Lage zu versetzen, sich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir wollen sie weiterentwickeln, damit sich eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt für den Beschäftigten und die Werkstatt lohnt.

AFD

Wenn Sie mit vorrangig, vorrangig vor Mitbewerbern ohne Behinderung meinen, dann sehe ich hier einen massiven staatlichen Eingriff in die Selbstbestimmung der Unternehmer. Wenn Sie mit vorrangig in den ersten Arbeitsmarkt den ersten Arbeitsmarkt vorrangig vor sozialem Arbeitsmarkt oder Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung meinen, dann bin ich ganz klar dafür.

LINKE

Ja. Dafür fordert DIE LINKE die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt, langfristige und bedarfsdeckende Förderungen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, die Erhöhung der Beschäftigungsquote und die deutliche Anhebung der Ausgleichsabgabe, die wirksame Verbesserung von Beratung und Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit, mindestens Mindestlohn und reguläre Arbeitsverhältnisse für Werkstattbeschäftigte.

GRÜNE

Ja, Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, wie Menschen ohne Behinderungen. Wir werden dafür sorgen, dass die dafür benötigten Unterstützungsleistungen schnell und einfach zu bekommen sind. Gesetzliche Einschränkungen z. B. für Arbeitsassistenz und das Budget für Arbeit werden wir aufheben..

FDP

Leider ist erfolgreiche Inklusion am Arbeitsmarkt noch keine Selbstverständlichkeit. Die Komplexität der bestehenden Regelungen stellt dabei Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor Herausforderungen. Zudem sind finanzielle Unterstützungen, beispielsweise für Umbauten, zwar hoch, bei Arbeitgebern aber zu wenig bekannt. Wir wollen daher eine praxistauglichere Ausgestaltung des Budgets für Arbeit und eine praxisnahe aktive Arbeitsvermittlung und Begleitung.

3. Gerade für Menschen mit Behinderungen bietet die Digitalisierung große Chancen. Was werden Sie tun, damit die digitale Infrastruktur barrierefrei wird und damit Menschen mit Behinderungen beruflich und privat an der gesellschaftlichen Entwicklung teilhaben können?

CDU

Wichtig für eine digitale Infrastruktur sind übergeordnete Regelungen unter Entwicklung einheitlicher Maßstäbe. Umso schneller setzen sich diese Systeme zum Vorteil der Betroffenen am Markt durch. Hier setze ich große Hoffnungen in die Umsetzung der EU-Richtlinie zu Barrierefreiheitsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen durch das gerade von uns verabschiedete Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, um die volle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern.

SPD

Die Digitalisierung schafft Chancen, die wir nutzen wollen. Das gilt besonders für Menschen mit Behinderungen. Deshalb werden wir noch in dieser Wahlperiode ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erarbeiten. In diesem Gesetz werden wir die Barrierefreiheit von Dienstleistungen und Produkten umfassend regeln. Damit stellen wir sicher, dass alle von der Digitalisierung profitieren.

AFD

Deutschland befindet sich in der Digitalisierung immer noch auf einem der letzten Plätze. Wir müssen nicht vorrangig über barrierefreien Zugang reden, sondern darüber, dass Menschen mit Behinderung überhaupt der Zugang zu digitaler Infrastruktur ermöglicht wird. Im gleichen Atemzug muss natürlich diese Infrastruktur möglichst barrierefrei geschaffen werden.

LINKE

DIE LINKE fordert, den öffentlichen Bereich wie Verwaltungen und die Privatwirtschaft zur Schaffung umfassender, also auch digitaler, Barrierefreiheit gesetzlich zu verpflichten. Auch wollen wir in § 3a der Arbeitsstättenverordnung umfassende Barrierefreiheit und Universelles Design sowie »angemessene Vorkehrungen« als Grundprinzipien der Arbeitsstättengestaltung unabhängig davon festschreiben, ob Menschen mit Behinderungen beschäftigt werden.

GRÜNE

Wir wollen auch private Betreiber von Websites und anderen Online-Angeboten, sofern sie nicht ausschließlich als Freizeitbeschäftigung betrieben werden, sowie Anbieter von Hardware, Software und Apps dazu verpflichten, diese Angebote barrierefrei zu gestalten.

FDP

Für uns Freie Demokraten ist klar, dass gesellschaftliche Teilhabe auch im digitalen Raum gelten muss. Bestehende rechtliche Anforderungen, beispielsweise zur barrierefreien Gestaltung von Websites, müssen konsequent umgesetzt werden. Hier müssen öffentliche Stellen mit gutem Beispiel vorangehen. Bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie EAA in Deutschland könnte zudem die Einführung einklagbarer Regeln geprüft werden.

4. Wie halten Sie es mit der Forderung, dass alle Kinder – mit und ohne Behinderung oder Förderbedarf – gemeinsam in ein und dieselbe Klasse gehen sollten?

CDU

Bildung ist Ländersache, aber die Bildungschancen von Menschen mit Behinderungen dürfen nicht vom jeweiligen Wohnort abhängen. Daher setze ich mich im Austausch mit den behindertenpolitischen Sprechern der Unionsfraktionen in den Landtagen dafür ein, dass jeder Schüler die für ihn beste Bildung in einem inklusiven Schulsystem bekommt. Wobei ich der Auffassung bin, dass in diesem inklusiven Schulsystem auch Förderschulen ihren Platz haben sollten.

SPD

Teilhabe und Inklusion ist für Kinder wichtig. Die Schule als sozialer Ankerpunkt für Kinder steht deshalb im besonderen Fokus. Wir wollen die Länder auch weiter darin unterstützen, Kinder mit Beeinträchtigungen bestmöglich in den allgemeinen Schulunterricht einzubinden. Das Ziel ist der selbstverständliche Besuch der selben Schulklasse durch alle Kinder..

AFD

Der Inklusionsgedanke ist in diesem Fall kontraproduktiv. Kindern mit besonderem Förderbedarf ist nicht damit geholfen, in einer Inklusionsklasse unterrichtet zu werden, da dieser erhöhte Förderbedarf dort nur unzureichend geleistet werden kann. Inklusionslehrkräfte gibt es leider in der breiten Fläche nicht. Für Kinder mit körperlicher Behinderung befürworte ich inklusiven Unterricht, da diese Kinder nicht zusätzlich gefördert werden müssen.

LINKE

Ja. DIE LINKE will eine inklusive Schule. Bund, Länder und Kommunen müssen ein Investitionsprogramm »Inklusive Bildung« auflegen, um Bildungseinrichtungen umfassend barrierefrei umzubauen und auszustatten. Sie müssen über eine adäquate Ausstattung und Qualifizierung an Personal, Assistenzleistungen, Lehr- und Lernmitteln sowie sonstigen Hilfsmitteln für jedes Kind verfügen. Wir wollen ein 2-Lehrerinnen- bzw. 2-Lehrer-System umsetzen.

GRÜNE

Unser Ziel ist, dass Kinder mit und ohne Behinderungen zusammen lernen. Dazu werden wir die Schulen barrierefrei gestalten und besser ausstatten und die Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen verbessern.

FDP

Kinder mit Förderbedarf weitgehend in Regelschulen zu integrieren ist richtig, wenn durch Rahmenbedingungen die bestmögliche Förderung aller gewährleistet werden kann. Viele Eltern entscheiden sich aber auch für spezialisierte Förderschulen, um ihrem Kind eine bestmögliche Unterstützung zu ermöglichen. Daher treten wir dafür ein, dass Eltern auch in Zukunft im Interesse ihrer Kinder die Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Schulformen haben.

5. Um einen Sport auszuüben – beispielsweise Basketball – muss ein Rollstuhlfahrer mindestens 500 Euro, bei Modellen mit Anpassungsbedarf um die 5000 Euro ausgeben. Ein Fußgänger muss nur Turnschuhe kaufen. Wie sollte eine Gesellschaft mit diesen Differenzkosten umgehen?

CDU

Teilhabe ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Diese muss nicht nur im Arbeitsalltag realisiert werden, sondern auch in der Freizeit. Daher sollten unbürokratisch Möglichkeiten geprüft und realisiert werden, wie Menschen mit Behinderung auch in der Freizeit finanziellen Ausgleich für den Mehraufwand wie z. B. Sportrollstühle erhalten.

SPD

Jeder sollte am Sport teilnehmen können. Häufig gibt es hierzu auf Landesebene oder in den Kommunen Angebote, von denen nur die wenigsten wissen. Wir haben mit der Einführung der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTB) eine Anlaufstelle geschaffen, um betroffenen Personen schneller und unbürokratischer zu helfen. Darüber hinaus wollen wir den Behindertensport auch weiterhin tatkräftig unterstützen.

AFD

Rollstuhl-Basketball ist das Paradebeispiel für inklusiven Sport. Allerdings entstehen hier dem nicht behinderten Sportler nicht dieselben Kosten wie seinen Sportkammeraden mit Behinderung. Prinzipiell sehe ich die Gesellschaft und damit den Staat in der Pflicht, Menschen mit Behinderung zu unterstützen und das schließt auch die Möglichkeit sportlicher Aktivitäten ein.

LINKE

Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Freizeit und Sport muss gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention ermöglicht werden. Daher fordert DIE LINKE die hierfür benötigten Unterstützungsleistungen, Hilfsmittel und Assistenz über das SGB IX als Teilhabeleistungen zu garantieren. Diese müssen bedarfsdeckend ausgestaltet und gewährleistet werden.

GRÜNE

Derzeit unterscheiden die Krankenkassen zwischen Hilfsmitteln zum unmittelbaren und zum mittelbaren Behinderungsausgleich. Während für erstere, wie Prothesen, auch der Bedarf beim Sport berücksichtigt wird, gilt das für letztere, wie Rollstühle, nicht. Wir wollen diese Unterscheidung im Sinne der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen mit Behinderungenabschaffen.

FDP

Die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen muss sichergestellt sein, auch im Sport und insbesondere für Kinder und Jugendliche. Die Mehrkosten für die Ausübung des Breitensports müssen in angemessener Weise geprüft werden. Im Spitzensport leistet die Deutsche Sporthilfe bereits großartige Arbeit und muss weiter ausgebaut werden.

6. Sind Sie dafür, dass in das Gaststättengesetz aufgenommen wird, dass neu eröffnende Kneipen und Restaurants verpflichtend barrierefreie Toiletten anbieten?

CDU

Für das Gaststättenrecht sind die Länder zuständig. Das Bundes-Gaststättengesetz gilt zwar in einigen Ländern fort, die bisher keine Regelungen geschaffen hatten, inhaltliche Änderungen sind aber nicht mehr möglich. Wünschenswert wäre es natürlich, wenn möglichst viele Kneipen und Restaurants barrierefreie Toiletten anbieten. Eine verpflichtende Regelung halte ich mit Blick auf Bestandsbauten allerdings weder für verhältnismäßig noch für umsetzbar.

SPD

Schon heute muss Barrierefreiheit in Neubauten immer mitgedacht werden. Mein Ziel ist es, dass barrierefreier Zugang die Regel ist. Zum Beispiel indem Kommunen Förderungen nur dann erhalten, wenn sie barrierefrei bauen. Doch selbst das geht mir nicht weit genug. Ich möchte diese Förderungen auch auf den privaten Bau ausweiten. Nur so werden wir eine wirklich inklusive Gesellschaft ermöglichen.

AFD

Nein. Viele Gaststätten können aufgrund von baulichen Besonderheiten keine barrierefreie Toilettenanlage vorhalten. Ein Kneipenbetreiber ist heutzutage oftmals froh darüber, überhaupt Toiletten für Frauen und Männer anbieten zu können, wenn seine gesamte Geschäftsfläche nur 50 Quadratmeter beträgt. Bei alleinstehenden Neubauten oder in öffentlichen Veranstaltungszentren sehe ich die Vorhaltung von barrierefreien Toiletten als zwingend geboten.

LINKE

Ja. DIE LINKE schlägt vor, verbindliche Regelungen im AGG zu treffen, mit denen private Anbieter von öffentlich zugänglichen Gütern und Dienstleistungen zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet werden. Dort ist auch sofort zu regeln, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen zur Herstellung von Barrierefreiheit eine Benachteiligung darstellt, damit angemessene Vorkehrungen als subjektives Recht gegenüber der Privatwirtschaft einklagbar sind.

GRÜNE

Für das Gaststättenrecht sind die Länder zuständig. Wir werden aber allgemein private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen verpflichten, ihre Angebote nach einer angemessenen Übergangsfrist barrierefrei zu gestalten. Das betrifft auch Gaststätten.

FDP

Von einem barrierefreien Zugang zu Gaststätten und ihren Toiletten profitieren nicht nur Menschen mit Behinderungen. Auch Familien und ältere Menschen können auf Barrierefreiheit angewiesen sein. Der Begriff der angemessenen Vorkehrungen sollte daher in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen werden. Private, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen, sollen angemessene Vorkehrungen treffen, um Barrierefreiheit sicherzustellen.

7. Wie würden Sie den Anteil barrierefreier Wohnungen steigern, ohne, dass Bauherren die Ausnahmen in § 50.3 der Musterbauordnung nutzen?

CDU

Erst einmal finde ich es richtig, dass die Musterbauordnung klare Vorgaben trifft. Genauso wichtig aber ist, dass auch Ausnahmen für unverhältnismäßigen Mehraufwand geregelt sind. Denn nur wenn bei einer solchen Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall auch davon abgesehen werden darf, können wir insgesamt mehr Akzeptanz für barrierefreies Bauen fördern. Es muss aber auch fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in betroffenen Fachberufen werden.

SPD

Antwort 6 gilt auch für Frage 7.

AFD

Da der Bau von barrierefreien Wohnungen in der Regel mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist und viele Baugesellschaften aus genau diesem Grund auf die von Ihnen erwähnte Ausnahmeregel zurückgreifen, gibt es nur eine Lösung für diese Problematik: steuerliche Vergünstigen bzw. besondere Abschreibungsmodelle, um den Bau von barrierefreien Wohnungen anzukurbeln.

LINKE

Dafür ist ein öffentliches Bauprogramm im Umfang von 15 Milliarden Euro im Jahr zur Förderung des kommunalen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbaus mit einem Anteil bedarfsdeckender, barrierefreier Angebote zu vereinbaren. Die Ausnahmetatbestände in der Musterbauordnung und der Verwaltungsvorschrift der technischen Baubestimmungen müssen gestrichen werden. Eine Sanktionierung bei Nichteinhaltung ist zu regeln.

GRÜNE

Für das Baurecht sind die Länder zuständig. Wir werden aber allgemein private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen verpflichten, ihre Angebote nach einer angemessenen Übergangsfrist barrierefrei zu gestalten. Das betrifft auch Wohnungen. Darüber hinaus werden wir die Vorgabe für die Zahl barrierefreier Sozialwohnungen erhöhen.

FDP

Wir benötigen die Etablierung einer sozialraumorientierten Planung mit allen Stakeholdern, Bürgerinnen und Bürgern und unter Berücksichtigung von Sport- und Freizeitangeboten, ärztlicher Versorgung sowie ehrenamtlichem Engagement. Die Freizeit-, Einkaufs- und gastronomischen Angebote sind so anzupassen, dass die neu gestalteten Sozialräume auch für weitere Personengruppen interessanter werden.

8. Pflegende Angehörige sind hohen psychischen und finanziellen Belas[1]tungen ausgesetzt, obwohl sie unser Sozialsystem mit ihren Beiträgen stützen. Sind Sie der Meinung, dass die Leistungen für diese Menschen ausreichend sind?

CDU

Der wichtigste Anker, um dieses Engagement abzusichern, bleibt die Pflegeversicherung. Sie muss auch in Zukunft einen verlässlichen Beitrag leisten. Sie entbindet jedoch nicht davon, Eigenverantwortung zur Gestaltung der Pflege wahrzunehmen. Sehr wichtig ist mir, dass wir – gerade für junge pflegebedürftige Menschen – bewährte familiäre und neue Wohn- und Betreuungsformen weiter stärken. Und damit den Grundsatz »ambulant vor stationär«.

SPD

Die Doppelbelastungen aus Pflege und Beruf sind für viele Menschen nur schwer zu kompensieren. Deshalb wollen wir vorhandene Angebote ausbauen und einen Anspruch auf Pflegezeit mit Lohnersatzleistung erreichen, der dem von Elternzeit und Elterngeld entspricht. Für eine bessere Vereinbarkeit ist auch ein Ausbau der Kurzzeitpflegeplätze dringend notwendig. Pflegende Angehörige brauchen bei Krankheit oder Urlaub ein zuverlässiges und kurzfristig verfügbares Angebot.

AFD

Nein, die Leistungen für pflegende Angehörige sind definitiv nicht angemessen. Hier wird auf Kosten der Betroffenen am falschen Ende gespart. Hier ist ein fairer Umgang mit pflegenden Angehörigen bitter nötig. Die Entlohnung liegt unter Existenzminimum, Sozialabgaben werden in der Regel nicht entrichtet, so dass pflegende Angehörige oftmals weder kranken- noch rentenversichert sind. Hier besteht Korrekturbedarf.

LINKE

Nein. Pflegende Angehörige sind weder vor Armut geschützt, noch wird ihre Leistung anerkannt. DIE LINKE will für sie umfassende soziale Sicherungen: Lohnersatz vom Arbeitgeber für Kurzzeitpflege, gute Rentenansprüche und ein Entlastungsbudget. Niemand soll seinen Beruf aufgeben müssen. Wohnortnahe, bezahlbare Pflegeangebote sind die beste Entlastung. Dafür: Pflegevollversicherung und öffentliche Investitionen.

GRÜNE

Pflegende Angehörige sind eine tragende Säule unserer Gesellschaft. Ihre Sorgearbeit verdient mehr Wertschätzung und Unterstützung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Menschen Sorge- und Erwerbsarbeit besser miteinander vereinbaren können. Wir wollen mehr Zeitsouveränität schaffen, Unterstützungsstrukturen vor Ort ausbauen und gemischte Pflegearrangements fördern sowie gesetzliche Leistungen ausbauen und bedarfsgerechter nutzbar machen.

FDP

Pflegende Angehörige leisten einen wichtigen Beitrag. Wir fordern daher, alle finanziellen Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege unbürokratisch zu bündeln. So kann jeder Mensch seine Versorgung individuell planen und dabei auch Menschen in seinem Umfeld miteinbeziehen – und zwar sowohl Familie und Freunde als auch das Nachbarschaftsnetzwerk. Flankiert von einer guten und regelmäßigen Pflegeberatung schaffen wir so Raum für innovative Versorgung..

Kommentare

JL

20. September 2021 um 16:59 Uhr

Meine Tochter ist Autist und würde niemals eine normale Schulklasse ertragen. Sie ist extrem lärmempfindlich und selbst ein lauter schreiendes Kind bringt sie schon zum Weinen. Ab einem gewissen Hintergrundlärm, den normale Menschen gar nicht als störend wahrnehmen, presst sie sich nur noch die Hände auf die Ohren und ist nicht mehr ansprechbar, wird der gesamte Körper total steif. Bei so einem Kind ist eine Inklusion in eine normale Schulklasse einfach nicht möglich. Sie wäre innerhalb einer Woche ein psychisches Wrack. Die Förderschule mit nur 7 Kindern und 2 Lehrern besucht sie sehr gerne und macht dort gut mit. Dort darf sie auch mal mit ihrer Individualbegleiterin das Klassenzimmer verlassen, wenn es ihr zu viel wird oder zu laut wird.

Carlo Monnée

07. September 2021 um 00:11 Uhr

Applaus!!! Viele Fragen, nach derer Antworten ich suchte. Antworten die so schwubbelig, unverbindlich und - wie so meist - ganz weit von der Wirklichkeit, Verzweiflung und Bedarf der Betroffenen vorbeigeht. Danke für den Beitrag.

Politik für Menschen mit Behinderung - leider zu wenig beachtet - Uwe Witt

02. September 2021 um 15:21 Uhr

[…] Das wichtige Thema Politik für Menschen mit Behinderung fristet leider ein Nischendasein. Sozialminister Hubertus Heil packt Veränderungen bzw. Verbesserungen nur zögerlich und halbherzig an. Immerhin leben gut 8 Millionen Menschen in Deutschland, die den Status einer Schwerbehinderung anerkannt bekommen haben. Diesen Menschen ihre soziale und berufliche Teilhabe zu erleichtern, ist eines der Ziele von Uwe Witt, dem behindertenpolitischem Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Das Magazin "Der Rollstuhl-Kurier" hat als eines der wenigen Publikationen einen fairen Fakten-Check zur anstehenden Bundestagswahl durchgeführt. Im Gegensatz zu den üblichen, eher links ausgerichteten Zeitungen zum Thema Sozialpolitik hat das Hamburger Magazin völlig wertneutral berichtet und lässt Tatsachen sprechen. Lesen Sie selbst. Der Escales-Verlag hat uns freundlicherweise den Link zum Artikel zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür. https://www.ma-mo.de/2021/08/18/treffsicher-zur-wahl-wir-stellen-den-parteien-acht-kniffl… […]

Eva Schroeder

25. August 2021 um 21:06 Uhr

Ich würde mich gerne zu den Förderschulen äußern. Ich halte sie für unbedingt notwendig, da die Kinder dort durch speziell ausgebildete Lehrer in ihrem speziellen Förderbedarf unterrichtet werden. Es gibt Kinder mit so starken Einschränkungen und Verhaltensstörungen, die eine ganz spezielle Förderung und Betreuung brauchen. Das kann ein normal ausgebildeter Pädagoge einfach nicht leisten, zum Einen nicht im Klassenverbund und zum Anderen nicht durch fehlende Ausbildung, die sehr speziell ist, denn es gibt unterschiedliche Förderbedarfe, die abgedeckt werden müssen. Es gibt z.B. Autisten, die es nicht aushalten können, mit mehr als 3/4/5 Leuten im Raum sein zu können oder sich selbst und Andere u.U. verletzen. Diese Kinder darf man keineswegs aus den Augen verlieren und muss Ihnen bzw. deren Eltern ein Angebot machen können. Das widerspricht auch keinesfalls der Behindertenrechtskonvention, im Gegenteil: jede Förderung in der Bildung soll eine möglichst große Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, und die muss in speziellen Fällen sehr individuell sein, wie es Regelschulunterricht einfach nicht leisten kann. Die Eltern müssen einfach die Wahl haben. Unproblematisch ist die Teilnahme am Regelunterricht für körperlich behinderte Kinder, die aber unterschiedliche Hilfsmittel und/oder zusätzliche, personelle Hilfestellung benötigen. Die Vorstellung, alle Lehrer sollen mit allen Kindern umgehen können, wird vor Allem den Kindern mit Förderbedarf nicht gerecht!

Ute Büchner

23. August 2021 um 11:16 Uhr

Eine inklusive Gesellschaft ist für mich sehr wichtig. Wir müssen aufhören, Menschen zu separieren. Das muss in den Schulen anfangen. Die Klassen müssen verkleinert werden und langfristig müssen alle Lehrkräfte darin ausgebildet werden Schüler/innen speziell zu fördern. Wenn man die Antworten der Parteien dazu liest, entsteht der Eindruck, dass Förderschulen die Schüler/innen sehr gut fördern, das ist leider nicht der Fall, die wenigsten Schüler/innen schaffen dort überhaupt den Hauptschulabschluss, geschweigedenn, höhere Qualifikationen. Das schließt die Betroffenen weitestgehend vom ersten Arbeitsmarkt aus.

Thomas henrichsen

23. August 2021 um 10:07 Uhr

Sehr Geerthe Damen und Herren ! Mit dem Rollstuhl Kurier eine tolle Sache . Würde ichauch machen mit freundlichen Thomas henrichsen

Peter Tretau

20. August 2021 um 11:55 Uhr

Im Großen und Ganzen gehen die Meinungen für Menschen mit einer Behinderung von allen Parteien in die richtige Richtung. Wir haben zur Zeit schon gut durchdachte Gesetze - die hier und da noch verfeinert werden könnten - aber warum muss die betroffene Person immer erst den Klageweg beschreiten- um das zu bekommen - was das Gesetz vorgesehen hat. Viele Behinderte Personen sind entweder nicht in der Lage zu klagen ( warum auch immer) oder sind mit Ablehnungen total überfordert und geben auf, hier muß angesetzt werden. Desweiteren bemühen sich die Werkstätten für Behinderte Personen zu wenig, um die betroffenen Personen in den ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. Sie würden ja dann auf gut eingespielte Kräfte verzichten müssen. Außerdem ist die Vergütung für Menschen mit einer Behinderung nicht angemessen! Ich würde mich sehr freuen, wenn hier alle Parteien gemeinsam in diese Richtung tätig werden würden, niemand weiß ob er nicht auch schon Morgen im Rollstuhl sitzt.

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