Auf Tuchfühlung mit der Natur: Wilde Wege führen durch den Nationalpark Eifel

von Gerti Keller

Die Eifel: Einsilbige Menschen, rauer Wind und dunkle Wälder, in denen die Köhler hausen? Das war einmal. Inzwischen hat sich das Image des Landstrichs im äußersten Westen Deutschlands mächtig gewandelt. Zwischen Bonn und Aachen, grenzübergreifend mit Belgien, erstreckt sich seit 2004 ein vorbildlicher Nationalpark, der unser Urwald von morgen werden soll. Schon jetzt leben fünfzig Wildkatzen hier, die kleinen Eifeltiger.

Nahaufnahme einer Hand und eines hölzernen
©Nationalpark Eifel/ D. Ketz

Ökologisches Herzstück ist der Kermeter mit seinem Buchenwald. Der Höhenzug, von dem keiner weiß, woher er seinen markigen Namen hat, ist unser erstes Ziel. Von Gemünd aus folgt man den Schildern »Natur-Erlebnisraum Wilder Kermeter« über einige Serpentinen.

Auf dem Bergrücken angekommen, nehmen wir den fein geschotterten Erdweg, der zwischen den fünf Rollstuhl-Parkplätzen abgeht, zum Rangertreffpunkt. Dort gibt es eine barrierefreie, geräumige Trockentoilette mit zwei klappbaren Haltestützen, die sich per Euroschlüssel öffnen lässt.

Von hier aus erstreckt sich ein 6,2 Kilometer langes, komplett barrierefreies Wegenetz, das gratis und rund um die Uhr geöffnet ist. Die Steigung beträgt im Allgemeinen nicht mehr als sechs Prozent. Wir entscheiden uns für den spektakulärsten Abschnitt: den 1,8 Kilometer langen »Wilden Weg«.

Rollstuhlfahrer auf prepariertem Weg durch einen Nationalpark
©Behindertensportverband NRW/ A. Geist

Wilder Weg

Den Auftakt macht ein Holzsteg, der sich mitten durch den Wald schlängelt. Es gibt zehn interaktive Erlebnisstationen, die mit unterfahrbaren Infotafeln und Audioschleifen ausgestattet sind. Spannend ist beispielsweise der Baumstamm-Tunnel, in dem die Fraßgänge diverser Larven abgebildet sind – kunstvolle Muster, die sich in Reliefs ertasten lassen.

Nach 200 Metern kommen wir wieder auf einen gut rollbaren Pfad. Schilder zeigen in regelmäßigen Abständen, wie viel Strecke noch vor uns liegt. Alle 250 Meter steht eine Bank, die daneben auch Platz für einen Rollstuhl hat. Eine nächste Station stellt anschaulich dar, wie groß eine Buche werden kann – in Breite, Höhe und Kronenumfang. Bei den Sinnesliegen, die in Form von Buchenblättern gestaltet sind, ist Zeit für eine Rast. Sie wurden so konstruiert, dass sich ein Rollstuhlfahrer hineinhieven kann.

Rollstuhlfahrer auf dem Wilden Weg-Nationalpark-Eifel
©: N. Zeyen

Der nächste Halt, ein alter Köhlerplatz, ist eine Art Zeitspirale. Hier unterhalten sich in der Audiostation ein Römer und ein Ranger in einem Hörspiel über 2 000 Jahre Waldgeschichte.

Am Ende des Naturerlebnispfads verkündet ein Baustellenschild: Fertigstellung der »Baustelle Natur« voraussichtlich 2 250. Wer mehr erfahren möchte, kann jeden Sonntag um 13 Uhr an einer dreistündigen, kostenlosen Rangertour ohne Anmeldung teilnehmen.   

Kloster Mariawald

Nicht weit entfernt liegt das 500 Jahre alte Kloster Mariawald. Ein kleiner Ort der Stille mit herzhafter Küche. Legendär ist die dicke, hausgemachte Erbsensuppe (ohne Wurst vier Euro). Hier ist zwar Selbstbedienung, Menschen mit Handicap können aber gern am Tisch bestellen. Das Ambiente ist schlicht, es gibt einen Biergarten. Zur barrierefreien Toilette muss man entweder außen herum rollen – Richtung Kirche   –, was aber nur mit Begleitperson funktioniert. Der Weg ist steil und die Tür muss von Hand geöffnet werden. Es ist aber auch möglich, über einen Aufzug (130×110 cm, Türbreite 90 cm) dorthin zu gelangen. Dafür muss man Bescheid sagen. Das WC mit zwei Haltestützen ist von rechts befahrbar.

Sakralbau in der Eifel-Kloster Mariawald
©Nationalpark Eifel/ D. Ketz

Wildnis(t)räume für Regentage

Der Nationalpark hält auch eine sehenswerte Indoor-Erfahrung bereit: die Ausstellung »Wildnis(t)räume«, die zunächst mit einer Überraschung aufwartet. Denn sie befindet sich in der ehemaligen Nazi-Ordensburg Vogelsang, die 1934 errichtet und bis 2006 von belgischen Streitkräften genutzt wurde. Autofahrer gelangen über die B 266 dorthin. Achtung: Nicht den Besucherparkplatz ansteuern, sondern weiter zu den drei Rolli-Parkplätzen fahren.

Über gut rollbares Pflaster gelangen wir nach wenigen Metern zum modernen, 2017 eröffneten Gebäude. Dort informiert die Erlebnisausstellung über die großen und kleinen Naturwunder im Nationalpark. Die Zugänge sind stufenlos und alles ist unterfahrbar, ob Monitore oder Pulttafeln. Auch die Counter haben teilabgesenkte Theken.

Zunächst begrüßen uns Laubholzsäbelschrecke und Grünrüssler, die verborgen in den Baumwipfeln leben. Kurz darauf kann man seinen inneren Kompass austesten oder Duftmemory spielen. In der Nähe der Biberburg ist die Behinderten-Toilette. Sie hat einen elektrischen Türöffner, zwei klappbare Haltestützen, ein Waschbecken mit beidseitigen Haltestützen, niedriggelegte Seifen- und Handtuchspender, zwei Notknöpfe und einen Wickeltisch, der selbst ausgeklappt nicht im Weg ist. Beim Hauptcounter befindet sich ein zweites, barrierefreies WC. Es hat ebenfalls zwei klappbare Haltegriffe, ist aber nicht so geräumig.

Zuschauer betrachten Lampignons
©Nationalpark Eifel/ D. Ketz

Der Aufzug (110×140 cm) bringt uns wieder in die obere Etage. Dort erleben wir den Wald im Lauf der Zeit und lauschen dem Wind. Dann kommt das Highlight: Wir betreten einen dunklen Raum. Um den »Zauber des Waldes« zu erleben, folgen wir den Blindenleitlinien und halten das Geländer fest. Nur dann startet die Show. In großen Kugeln sind Projektionen zu sehen, die durch die Jahreszeiten führen.

Tipp: Unbedingt bis zum Gewitter warten! Anschließend führt eine Rampe hoch zum Panoramablick. Hier sollte man auf keinen Fall das unterfahrbare Fernrohr verpassen. Es hat eine wirklich hohe Auflösung.

Anschließend rollen wir rechterhand über den großen Platz und genießen den Ausblick. Uns zu Füßen glitzert der Urftsee, am Horizont grüßt der Höhenzug Kermeter. Gleich links befindet sich die Gastronomie. Ein elektrischer Türöffner erleichtert den schwellenlosen Zutritt. An der Selbstbedienungstheke gibt es den Klassiker der Region: Belgische Waffeln mit heißen Kirschen, Vanilleeis und Sahne.

Das WC befindet sich im Untergeschoss. Man erreicht es über den Aufzug direkt neben dem Eingang. Ärgerlich war nur, dass die Tür, die sich unten direkt vor dem Lift befindet, nicht offenstand. Wir haben dies moniert, es soll geändert werden. Das WC ist ansonsten prima, mit Haltestützen links und rechts sowie beidseitig anfahrbar (links 95 cm, rechts 98 cm).

Deutsches Fachwerkhaus
©Gerti Keller

Margarethenhof

Zwei barrierefreie Zwei-Zimmer-Ferienwohnungen bietet der rund 20 Kilometer entfernte Margarethenhof (ab 48 Euro/ Tag), ein Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert. Alles ist sehr sauber und liebevoll eingerichtet. Das Bad der »Futterküche« ist geräumig. Neben dem WC befindet sich rechts eine feste Haltestütze (ohne Spülknopf). Sonst ist neben dem WC recht wenig Platz (rechts 53 cm, links bis zum festen Haltegriff fürs Waschbecken 57 cm). In der Dusche gibt es zwei Haltegriffe und einen Sitz, Schminkspiegel und Armaturen sind nicht abgesenkt. Auch die Tür ist nur um die 78 cm breit, hat dafür aber einen tiefgelegten Innengriff. Diesen hat Wirt Schröder auf Anregung seiner Gäste angebracht, ebenso wie die tiefe Klingel neben dem blauen Rolli-Schild am Hauseingang.  

Im »Alten Backhaus« ist das WC nur von rechts befahrbar und hat links einen Haltegriff. Beide Wohnungen liegen im EG und sind vom hauseigenen Rolliparkplatz über den Fachwerkinnenhof gut zu erreichen.

Jugendherberge Vogelsang

Frisch eröffnet ist die Jugendherberge Gemünd Vogelsang. Sie liegt reizvoll am Hang, was für Rollifahrer, die mit dem Auto anreisen, aber kein Problem ist. Bei Anmeldung kann für sie ein Parkplatz freigehalten werden.

Vom Parkplatz gelangt man über den Personaleingang mit dem großen Aufzug zur tiefergelegten Rezeption. Alles ist großzügig geschnitten und gut erreichbar, auch das Kaminzimmer. Selbst am Buffet wird’s nicht eng. Vier der 56  Zimmer sind barrierefrei. Das integrierte Bad hat einen Duschsitz, die Armaturen sind niedrig und das WC besitzt zwei Haltestützen, ist aber in allen Zimmern nur von links befahrbar. Tipp: In der Nähe des Speisesaals gibt’s ein beidseitig befahrbares WC.   

Moderne-Gebäude_Jugendherberge Vogelsang
©Gerti Keller

Fazit

Die barrierefreien Angebote des Nationalparks sind lohnenswert und nach »Reisen für alle« zertifiziert. Weitere Infos und Ausflugsziele gibt’s unter www.nationalparkeifel.de/barrierefrei und www.eifel-barrierefrei.de. Denn die Eifel hält noch viel mehr bereit: Ein Seen-Gebiet, Römer, Vulkane, und im Frühjahr ein Meer aus wilden Narzissen. Und auch die Nächte sind besonders: An kaum einem anderen Ort in Europa funkeln die Sterne heller. Die International Dark-Sky Association (IDA) hat das Gebiet 2014 zum ersten Sternenpark Deutschlands erklärt.

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