Alter Benziner und neue Verladetechnik: Felix Liehr tüftelt an innovativen Mobilitätslösungen

von Paul-Janosch Ersing

Sie haben noch einen Oldtimer in der Garage? Kein Problem für Gründer Felix Liehr. Sein Unternehmen Felitec hat schon viele ungewöhnliche Umbauten realisiert, vom italienischen Alfa Romeo bis zum französischen Panhard.

»Was bastelst du da schon wieder?« Diesen Satz hört Felix Liehr in seiner Kindheit oft. Als siebtes von neun Geschwistern eilt ihm der Ruf voraus, ein kleiner, verrückter Erfinder zu sein. »Alles, was sich bewegte, hat mich magisch angezogen«, erinnert er sich heute. »Schade, dass Erfinder kein Ausbildungsberuf ist.«

Stattdessen beginnt Liehr eine Ausbildung zum Kunst- und Bauschlosser, an deren Ende für den kreativen Kopf allerdings keine befriedigende Lebensaufgabe zu erkennen ist. Zum beruflichen Wendepunkt wird der überraschende Auftrag, für den Freund des Schlossermeisters eine einachsige Sportkutsche, einen Sulky, zu bauen: »Bei diesem Projekt habe ich wieder gespürt, dass ich nicht nur mit meinen Händen arbeiten, sondern mir dabei auch technische Lösungen ausdenken will.«

In die Branche reingerutscht

Seine frühe Liebe zur Tüftelei hat sich ausgezahlt: Heute leitet Felix Liehr ein Unternehmen, dessen Innovationskraft weit über die Landesgrenzen hinausstrahlt. Mehrere Auszeichnungen für unternehmerische Leistungen, gesellschaftliche Verantwortung, Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit zeugen von herausragenden Fähigkeiten. Mit Felitec hat Felix Liehr seinen Platz in der Welt der Mobilität für alle Menschen gefunden.

»In meinem familiären Umfeld gab es niemanden mit körperlichen Einschränkungen«, erzählt der Konstrukteur und Unternehmenschef. »Ich bin in die Branche der Behindertenmobilität reingerutscht und habe dann schnell gemerkt, wie umfangreich die Möglichkeiten für mich sind.« Benachteiligten und in Not geratenen Menschen zu neuer Freiheit und Lebensqualität zu verhelfen, wird zu einer wichtigen Triebfeder des Machers aus dem Markgräfler Land.

Vor der Gründung von Felitec in Schorndorf im Jahr 1996 sammelt der heutige Chef von 24 Mitarbeitern wichtige Erfahrungen bei renommierten Unternehmen für rollstuhlgerechte Fahrzeugumbauten in der Schweiz und in Frankreich. Und: Er holt die Fachholschulreife nach und studiert in Lörrach Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Konstruktion. Das Thema der Abschlussarbeit weist den Weg in die eigene berufliche Zukunft und macht vielen mobilitätseingeschränkten Menschen Hoffnung: geschwindigkeitsabhängige Joystick-Lenksysteme.

Der unternehmerische Durchbruch gelingt Felix Liehr nicht mit innovativen Lenksystemen, sondern mit exklusiven Drehsitzen. »Eines Tages klingelte das Telefon, und am anderen Ende meldete sich ein Import-/Export-Unternehmen hier aus der Region«, berichtet Felix Liehr. »Der Anrufer fragte mich, ob ich Drehsitze herstellen könne – für die aktuelle S-Klasse von Mercedes-Benz.« Was für eine Frage! Klar kann der Tüftler das. Er lässt sich kurzerhand eine Limousine als Muster bringen und liefert wenig später fünf Drehsitze als Bausätze nach Saudi-Arabien ins dortige Königshaus. Der royale Auftrag spricht sich herum, weitere zahlungskräftige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Sport werden auf Felitec aufmerksam.

In der Folge passen Felix Liehr und seine Mitarbeiter unter anderem ein Rolls-Royce Phantom Cabriolet, einen Porsche Cayenne und mehrere Maybach-Limousinen an die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden an. Einige der exklusiven Umbauaufträge finden an gepanzerten Fahrzeugen statt. »Viele Projekte waren streng geheim«, verrät Felix Liehr. »Nicht alle Autos, an denen wir gearbeitet haben, dürfen wir zeigen.« Die Landkarte füllt sich schnell: Katar, Kuwait, Jordanien – Felix Liehr kommt viel herum im Nahen Osten. »Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel dazugelernt und mir Fähigkeiten angeeignet, von denen ich bis heute profitiere«, erinnert sich Felix Liehr an die Wünsche der gut betuchten Herrschaften.

Dann steht irgendwann der erste Oldtimer in der Halle: ein Alfa Romeo Corsa Spider 6C, Baujahr 1932. Der Besitzer des italienischen Klassikers erbittet den Einbau eines mechanischen Handgasrings, um selbst hinter dem Lenkrad Platz nehmen zu können. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der extrem seltene Alfa Romeo bereits 23 Jahre in Familienbesitz – und mit dem Umbau soll endlich der Traum vom Selbstfahren in Erfüllung gehen. Felix Liehr erinnert sich noch gut an die erste Probefahrt mit dem Kunden: »Ich war auf dem Beifahrersitz dabei und habe die pure Freude des Fahrers miterlebt. Das war wirklich echtes Gänsehaut-Feeling.«

Ein legales Straßenrennen

Bei dem einen Alfa Romeo soll es nicht bleiben: Bei Felitec werden ein Austin Healey Martin aus Großbritannien und ein französischer Panhard für den Handbetrieb umgerüstet. Eines Tages meldet sich der Oldtimer-Fan erneut per Telefon: Er möchte mit einem Mercedes-Benz 300 SEL an der Carrera Panamericana 2015 teilnehmen – an einem der letzten legalen Straßenrennen der Welt, einmal quer durch Mexiko. Selbstverständlich nimmt Felix Liehr die Herausforderung an und baut die »Heckflosse« gemäß den Rallye-Vorschriften um.

Nicht alle Kunden sind so pflegeleicht wie der abenteuerlustige Oldtimer-Fan. »Manche sind schon sehr schwierig«, stellt Felix Liehr fest.

»Aber ich wachse mit meinen Aufgaben, und ich empfinde einfach sehr viel Freude dabei, andere Menschen glücklich zu machen.«

Diese Motivation sorgt für zahlreiche Routineaufträge wie rollstuhlgerechte Umbauten, aber auch einige spektakuläre Herausforderungen. Für Aufsehen sorgt beispielsweise ein Wohnmobil auf Basis eines Mercedes-Benz Sprinters, mit dem der teilgelähmte Fahrer im Stehen unterwegs sein kann. Felix Liehr über seine technische Lösung: »Wir haben das Bodenblech aufgeschnitten und für die Beine zwei wannenartige Vertiefungen eingelassen. An der Rückenlehne kann sich der Kunde stehend anlehnen.« Neben all den vielen Spezialaufträgen findet Felix Liehr immer wieder Zeit, an Produkten zu forschen, die für möglichst viele Menschen interessant und hilfreich sind. Oft sind es die Abendstunden, in denen dem Erfinder neue Ideen kommen. In seine aktuelle Entwicklung setzt er besonders große Hoffnung: Es handelt sich um ein intelligentes Verladesystem, das sich mittels Software an Rollstuhl und Auto anpassen lässt.

Frei programmierbare Verladekurve

»Um so etwas aus einer Hand anbieten zu können, habe ich mir sogar Software-Programmierung beigebracht«, verrät Felix Liehr voller Stolz. Der Clou: Anders als bisherige Rollstuhl-Verladesysteme schränkt seine Erfindung die Kunden kaum noch ein bei der Auswahl ihres Wunschautos. Denn der »Brownie Plus« verfügt über eine frei programmierbare Verladekurve, wodurch Rollstühle höher sein können als die Fahrzeugöffnung. Dank der eingebauten Funk-Chips (RFID) erkennt das System sowohl den zuvor abgespeicherten Rollstuhl als auch den Einbauort und das Fahrzeug – und wählt automatisch die passende Verladekurve.

Auf Knopfdruck, per Funkfernbedienung, Smartphone-App oder Sprachbedienung hebt, kippt und schwenkt das intelligente Verladesystem den Rollstuhl millimetergenau durch die geöffnete Tür. »Ein großer Pluspunkt ist die schier grenzenlose Flexibilität unseres Systems«, erläutert Felix Liehr. »Der ›Brownie Plus‹ kann mit wenigen Handgriffen von einem Auto in ein anderes mitgenommen werden – das macht ihn prinzipiell auch interessant für Mietwagenfirmen und Carsharing-Projekte.«

Ihn habe immer gestört, dass sich Rollstuhlfahrer häufig ein Auto kaufen müssen, das sie eigentlich gar nicht wollen. Oder noch schlimmer: einen Rollstuhl fahren müssen, der zwar ins Auto passt, aber nicht exakt dem Wunschmodell entspricht. All das muss dank Felix Liehrs neuester Entwicklung nicht mehr sein.

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